Die Türkei kämpft seit Jahren mit dem Anstieg der Verbraucherpreise. Nicht nur damit, denn auch die Türkische Lira wertet seit über 2 Jahrzehnten gegenüber dem Euro ab. Die TL in Euro Währungsumrechnung wird für die in der Türkei lebende Bevölkerung zunehmend zum Desaster. Die Jahres Inflation ist in der Türkei ist seit 2017 laut Statistik im zweistelligen Bereich, erfreulicherweise deutet der Trend in 2023 auf eine signifikante Abnahme der Inflationsrate (Enflasyon oranı) hin. Für die Bevölkerung ist die Situation eine Herausforderung. Sparer und Anleger erleben durch den Anstieg der Verbraucherpreise und der Abwertung der Währung eine doppelte Geldentwertung, die ganz besonders bei Urlauben im Ausland offensichtlich wird. Die Prognosen sind ungünstig. Hier gibt es die Daten zur Inflation in Deutschland.
Aktuelle Inflationsrate in der Türkei August 2023 58,94% (Juli 47,83, Juni 38,2%, Mai 2023 = 69,97 %)
August 2023: Es geht wieder nach oben mit den Verbraucherpreisen. Rund 59% beträgt die Inflation im August in der Türkei.
Juli 2023: Nach Angaben des Türkischen Statistischen Instituts (TÜİK) verzeichnete die Türkei im Juli 2023 einen deutlichen Anstieg ihrer Verbraucherpreise auf 47,8%. Damit endete die achtmonatige Serie sinkender jährlicher Inflationsdaten. Prognosen von Ökonomen hatten für Juli einen Anstieg von 47,3 % jährlich erwartet.
Interessanterweise zeichneten Zahlen der unabhängigen Inflation Research Group (ENAG) und der Handelskammer Istanbul (İTO) ein etwas anderes Bild. Laut ENAG betrug der Verbraucherpreisanstieg 122,88 % lag. İTO hingegen gab an, dass die Inflation in Istanbul im Juli 2023 63,76 % betrug.
Juni 2023: Die Inflation (Enflasyon) in der Türkei verlangsamte sich im Juni 2023 mit 38,2% auf den niedrigsten Stand seit 2021, als Präsident Recep Tayyip Erdogan im April 2023 sein Versprechen einlöste, den Haushalten Erdgas kostenlos zur Verfügung zu stellen. Diese Entscheidung wurde vor den Wahlen getroffen und veranlasste ihn, sein Wirtschaftsteam zu überarbeiten.
Die Zusage von Erdogan vor zwei Wahlgängen im Mai war ein Sinnbild für den eigenwilligen Ansatz, den er seit Jahren bei der Steuerung der 900-Milliarden-Dollar-Wirtschaft verfolgt. Dies bedeutet, dass die Gaspreise für Haushalte letzten Monat vom Statistikdienst TurkStat bei null lagen, was dem Kraftstoff ein Gewicht von knapp 3 % im Verbraucherpreiskorb gibt. Hier finden Sie aktuelle Informationen zur Mehrwertsteuer in der Türkei.
Der Internationale Währungsfonds prognostiziert auch für die kommenden Jahre weiterhin zweistellige Inflationsraten, für 2024 beispielsweise 35%, für 2025 noch 25%. Mehr dazu hier.
Die Zentralbank erklärt die Verbraucherpreise in der Türkei
Am 22. Juni 2023 hat die türkische Zentralbank zur Inflationsbekämpfung die Leitzinsen drastisch auf 15% erhöht. Sie erklärt: “In unserem Land deuten aktuelle Indikatoren auf eine Zunahme des zugrunde liegenden Inflationstrends hin. Die starke Entwicklung der Inlandsnachfrage, der Kostendruck und die anhaltende Inflation im Dienstleistungssektor waren die Haupttreiber. Zusätzlich zu diesen Faktoren geht der Ausschuss davon aus, dass die Verschlechterung des Preisverhaltens die Inflation weiter unter Druck setzen wird. Der Ausschuss wird den Leitzins so festlegen, dass die notwendigen monetären und finanziellen Bedingungen geschaffen werden, um einen Rückgang des zugrunde liegenden Inflationstrends sicherzustellen und mittelfristig das Inflationsziel von 5 Prozent zu erreichen.
Die Straffung der Geldpolitik wird so weit wie nötig zeitnah und schrittweise weiter verschärft, bis eine deutliche Verbesserung der Inflationsaussichten erreicht ist. Die Inflationsindikatoren und der zugrunde liegende Inflationstrend werden genau beobachtet, und die CBRT wird im Einklang mit ihrem Hauptziel der Preisstabilität weiterhin alle ihr zur Verfügung stehenden Instrumente entschlossen einsetzen.”
Die Türkische Zentralbank schreibt dazu in ihrem Report vom 4. May 2023: “Inflationsbericht 2023-II
Im ersten Quartal 2023 ging die jährliche Verbraucherinflation um 13,8 Punkte auf 50,5 % zurück und setzte ihren Abwärtstrend im April fort, indem sie weiter auf 43,7 % sank. Löhne, Nachfrage, Preisanpassungen bei verwalteten Artikeln und bestimmte unverarbeitete Lebensmittel, die von Versorgungsproblemen betroffen waren, gehörten zu den Treibern der Preissteigerungen im aktuellen Berichtszeitraum. Darüber hinaus waren einige Waren und Dienstleistungen von einem Missverhältnis zwischen Angebot und Nachfrage betroffen, das durch die Erdbeben in Kahramanmaraş am 6. Februar verursacht wurde.
Andererseits setzte sich in diesem Zeitraum die moderate Entwicklung der Rohstoffpreise fort und der Rückgang der internationalen Erdgaspreise verstärkte sich. Die weltweiten Transportkosten gingen weiter zurück, während die Indikatoren für den globalen Lieferkettendruck unter ihre historischen Durchschnittswerte fielen. Auch der weiterhin stabile Wechselkursverlauf konnte aufrechterhalten werden. Vor diesem Hintergrund verlangsamten sich die Preissteigerungen nach der hohen monatlichen Inflation im Januar. Die saisonbereinigten monatlichen Anstiege der B- und C-Indikatoren verlangsamten sich im Zeitraum nach der Beschleunigung im Januar und die Indikatoren verzeichneten die niedrigsten Steigerungsraten seit Oktober 2021.”
Türkei Inflationsrate 2021 – 2023 mit Statistik
In der Abbildung 1 ist die Entwicklung der Inflation in der Türkei in den letzten Jahren dargestellt. Anfang 2021 lag die Inflationsrate bei rund 15% und stieg langsam bis November 2021 auf 21%.
Statistik 2021: Die durchschnittliche Inflation betrug 19,4% bei dem Median von 18,2 und der Standardabweichung von 5,6.
In 2022 sind die Verbraucherpreise in der Türkei stark gestiegen. Im Oktober 2022 wurde mit 85,5% ein sehr hohes Niveau erreicht.
Statistik 2022: Der Mittelwert ist 72,0% und der Median 76,1%, die Standardabweichung 12,3%
Abb. 1: Aktuelle Inflation in der Türkei und Entwicklung von Januar 2021 – Juli 2023. Quelle: data.tuik.gov.tr
Bir önceki yılın aynı ayına göre değişim oranı (%) = Veränderungsrate gegenüber dem Vorjahresmonat (%)
In der Tabelle 1 sind die Daten für 2023 und in Tabelle 2 die für 2022 angegeben.
Tab. 1: Inflation in der Türkei 2023. Quelle: tcmb.gov.tr
Monat 2023 | Inflationsrate [%] |
Juli 2023 | 47,83 |
Juni 2023 | 38,2 |
Mai 2023 | 39,6 |
April 2023 | 43,7 |
März 2023 | 50,5 |
Februar 2023 | 55,2 |
Januar 2023 | 57,7 |
In 2023 ist die Inflation von Monat zu Monat zurückgegangen: Von 57,7% im Januar, über 55,2% im Februar und 50,5% im März auf 43,7% im April 2023. Im Mai wurde mit 39,6% erstmals seit Januar 2022 wieder ein Wert unter der 40% Marke veröffentlicht. Im Juni 2023 liegt die Inflationsrate in der Türkei bei 38,21%
Tab. 2: Entwicklung der Inflationsrate in der Türkei im Jahr 2022. Quelle: tcmb.gov.tr
Monat 2022 | Inflationsrate |
Januar | 48,7% |
Februar | 54,4% |
März | 61,1% |
April | 70,0% |
Mai | 73,5% |
Juni | 78,6% |
Juli | 79,6% |
August | 80,2% |
September | 83,5% |
Oktober | 85,5% |
November | 84,4% |
Dezember | 64,3% |
Das Jahr 2022 war für die Türken das Jahr der hohen Inflation. So extreme Werte wurden nur 1980 und Mitte der 90er Jahre erreicht. Von Januar 2022 stieg die Inflationsrate von 47,7% kontinuierlich über 54,4% im Februar und 79,6% im Juli bis auf 85,5% im Oktober 2022.
Historische Entwicklung der türkischen Inflationsrate
Die Abbildung 2 zeigt die Entwicklung der Verbraucherpreise in der Türkei seit 1960. Hohe Inflation kam in 1980 mit 94,3 % und 1994 mit 105,2 % vor.
Abb. 2: Entwicklung der Inflation in der Türkei von 1980 – 2022. Datenquelle: https://data.worldbank.org/
Die Daten zur Grafik (Tabelle 3)
Tab. 3: Daten zur Türkei Inflation von 1960 – 2022. Quelle: imf.org
Jahr | Inflationsrate [%] |
1960 | 5,7 |
1961 | 3,2 |
1962 | 3,9 |
1963 | 6,4 |
1964 | 1,1 |
1965 | 4,6 |
1966 | 8,5 |
1967 | 14,0 |
1968 | 6,0 |
1969 | 4,9 |
1970 | 7,9 |
1971 | 19,0 |
1972 | 15,4 |
1973 | 13,9 |
1974 | 23,9 |
1975 | 21,2 |
1976 | 17,5 |
1977 | 26,0 |
1978 | 61,9 |
1979 | 63,5 |
1980 | 94,3 |
1981 | 37,6 |
1982 | 29,1 |
1983 | 31,4 |
1984 | 48,4 |
1985 | 45,0 |
1986 | 34,6 |
1987 | 38,9 |
1988 | 68,8 |
1989 | 63,3 |
1990 | 60,3 |
1991 | 66,0 |
1992 | 70,1 |
1993 | 66,1 |
1994 | 105,2 |
1995 | 89,1 |
1996 | 80,4 |
1997 | 85,7 |
1998 | 84,6 |
1999 | 64,9 |
2000 | 54,9 |
2001 | 54,4 |
2002 | 45,0 |
2003 | 21,6 |
2004 | 8,6 |
2005 | 8,2 |
2006 | 9,6 |
2007 | 8,8 |
2008 | 10,4 |
2009 | 6,3 |
2010 | 8,6 |
2011 | 6,5 |
2012 | 8,9 |
2013 | 7,5 |
2014 | 8,9 |
2015 | 7,7 |
2016 | 7,8 |
2017 | 11,1 |
2018 | 16,3 |
2019 | 15,2 |
2020 | 12,3 |
2021 | 19,6 |
2022 | 72,3 |
In 2023 wird die Inflationsrate in der Türkei voraussichtlich deutlich unter der von 2022 liegen.
Die Notenbank senkt trotz hoher Verbraucherpreise die Leitzinsen
Die türkische Zentralbank (Türkiye Cumhuriyet Merkez Bankası) hat eine stärker als erwartete Zinssenkung vorgenommen, ein Schritt, der dazu führte, dass die Lira ein neues Allzeittief erreichte. Der Leitzins wurde von bisher 15% auf 14% gesenkt , ökonomisch ist das eine Kontraindikation auf die Entwicklung der Verbraucherpreise.
Prognose 2023, 2024, 2025 bis 2028
Wie werden sich die Verbraucherpreise in der Türkei weiter entwickeln?
Türkei Inflation Prognose Internationaler Währungsfonds
Der Internationale Währungsfonds geht für 2023 von einer Inflation von rund 51% in der Türkei aus. Laut prognose sollen die Verbraucherpreise in den Folgejahren wieder sinken (Tabelle 3). Danach erwartet der IWF für 2024 eine Jahresinflation von 35%, in 2025 von 25% und in 2026, 2027 und 2028 von je20%.
Tab. 2: Prognose zur Inflation in der Türkei 2021 – 2028. Quelle: Quelle: imf.org
Prognose Jahr | 2023 | 2024 | 2025 | 2026 | 2027 | 2028 |
Inflation Türkei (gerundet) | 51% | 35% | 25% | 20% | 20% | 20% |
Die Türkische Notenbank führt regelmäßig Umfragen bei Marktteilnehmern durch. In der Abbildung 3 sind die Einschätzungen zu den Verbraucherpreisen in den nächsten Jahren angegeben.
Abb. 3: Prognose zur Inflation in der Türkei 2023, 2024 und 2025. Quelle: tcmb.gov.tr 14. Juli 2023
Die Befragung der Marktteilnehmer wird monatlich mit einem Panel von 46 Teilnehmern durchgeführt, bestehend aus 31 Experten aus der Finanzbranche, 4 Experten aus der Realbranche und 11 Fachleuten.
Die Inflationserwartungen bis zum Jahresende 2023 verschlechterten sich von 38,6 % auf 43,8%, wie die monatliche Umfrage der Zentralbank vom 14. Juli ergab. Die Umfrageteilnehmer hoben außerdem ihre Inflationsprognose für Juni 2024 von 30,6 % im Juni auf 33,2 % im Juli an. Die Prognose für Juni 2025 liegt bei rund 19%. Für Juni 2028 erwarten die Marktteilnehmer einen deutlichen Rückgang der Inflation auf 8,9%.
Tab. 3: Prognose der Umfrage der Türkischen Notenbank bei Marktteilnehmern
Jahr | Inflations-Prognose |
Ende 2023 | 43,80% |
Juni 2024 | 33,20% |
Juni 2025 | 19,00% |
Juni 2028 | 8,90% |
Prognose der ING
Die ING geht für 2023 und 2024 von anhaltend hoher Inflation aus. Für das Jahr 2023 rechnet die Bank mit einer Inflation von 51,5% und für 2024 von 50,8% Erst für 2025 erwartet die ING einen Rückgang auf 31,6%.
Tab. 4: Inflationsprognose der ING (Stand 14. August 2023). Quelle: think.ing.de
2023 | 2024 | 2025 |
51,5% | 50,8% | 31,6% |
Ursachen für die hohen Verbraucherpreise in der Türkei
Die Inflation in der Türkei wurde durch verschiedene Faktoren beeinflusst. Hier sind einige Hauptursachen, die zur Inflation in der Türkei beigetragen haben:
Geldpolitik und Geldmenge
Einer der Haupttreiber der Verbraucherpreise ist ein übermäßiges Wachstum der Geldmenge. Wenn die Zentralbank die Geldmenge schneller erhöht als das Wirtschaftswachstum, kann dies zu Inflationsdruck führen. In der Türkei wurden eine lockere Geldpolitik und eine Kreditausweitung als Faktoren identifiziert, die zur Erhöhung der Inflationsrate beitragen.
Wechselkursschwankungen
In der Türkei kam es zu Währungsabwertungen und Wechselkursschwankungen, die sich auf die Inflation auswirken können. Eine abwertende Währung verteuert importierte Waren und Rohstoffe, was zu höheren Preisen für die Verbraucher führt. Der hohe externe Finanzierungsbedarf der Türkei und ihre Anfälligkeit gegenüber Veränderungen in der Anlegerstimmung haben die Währung unter Druck gesetzt und zum Inflationsdruck beigetragen.
Energie- und Rohstoffpreise
Steigende Energie- und Rohstoffpreise können erhebliche Auswirkungen auf die Inflation haben, da sie sich auf die Produktions- und Transportkosten auswirken. Als Energieimportland reagiert die Türkei empfindlich auf Schwankungen der globalen Öl- und Rohstoffpreise. Erhöhungen dieser Preise können zu höheren Produktionskosten führen, die möglicherweise an die Verbraucher weitergegeben werden.
Angebotsseitige Faktoren
Angebotsbeschränkungen und strukturelle Probleme können ebenfalls zur Inflation in der Türkei beitragen. Beispielsweise können eine unzureichende inländische Produktion in bestimmten Sektoren, logistische Herausforderungen, bürokratische Ineffizienzen und regulatorische Belastungen das Angebot einschränken und die Preise in die Höhe treiben. Darüber hinaus können geopolitische Spannungen, Störungen in globalen Lieferketten und Naturkatastrophen Auswirkungen auf die Verfügbarkeit und Kosten von Waren und Dienstleistungen haben.
Lohn-Preis-Spirale
In manchen Fällen können Lohnerhöhungen, die über dem Produktivitätswachstum liegen, zur Inflation beitragen. Wenn Arbeitnehmer höhere Löhne fordern, um steigende Preise auszugleichen, können Unternehmen diese gestiegenen Arbeitskosten über höhere Preise an die Verbraucher weitergeben, was zu einem Zyklus von Lohn-Preis-Steigerungen führt.
Literatur
Bilici B., Çekin S., 2020:. Inflation Persistence in Turkey: A TVP-Estimation Approach. The Quarterly Review of Economics and Finance. 78. 10.1016/j.qref.2020.04.002. Abstract.
Işiğiçok E., Öz R., Tarkun S., 2020: Forecasting and Technical Comparison of Inflation in Turkey With Box-Jenkins (ARIMA) Models and the Artificial Neural Network. International Journal of Energy Optimization and Engineering. 9. 84-103. 10.4018/IJEOE.2020100106. Link.
CNN – Turkey’s inflation hits two-decade high of 70%. Text
Türkiye Cumhuriyet Merkez Bankası – Short-Term Inflation Forecasting Models For Turkey and a Forecast Combination Analysis
Yilmazkuday H., 2022: Drivers of Turkish inflation.The Quarterly Review of Economics and Finance,
Volume 84. Link.
Daten ab 1960 > https://data.worldbank.org/indicator/FP.CPI.TOTL.ZG?locations=TR